Was macht ein Klimaaktivist in der CDU?

Was macht ein Klimaaktivist in der CDU?

Heinrich Strößenreuther kämpft gegen den Klimawandel. Nun ist der ehemalige Grüne ausgerechnet in eine Partei eingetreten, der Wirtschaft immer wichtiger war als Klimaschutz. Warum?

            Noch drei Wochen bis zur Wahl. Am Ende dieses stürmischen Sommers scheint für Heinrich Strößenreuther bereits alles entschieden. Er sitzt in einem Biergarten in der Mitte Berlins und schaut auf die Spree. Ab und zu fährt ein Partyboot vorbei, aber in Feierlaune ist Strößenreuther nicht. Wird er auch so bald nicht sein, denn er ist Mitglied in der CDU. Auf der einen Seite. Auf der anderen Seite ist er Klimaaktivist. Was sich doch ausschließt, könnte man denken. 

            Der 54 Jahre alte, charismatische Norddeutsche ist in Berlin ein stadtbekannter Aktivist. Ein besonders ausdauernder, mancher in der Berliner Politik würden sagen, ein äußerst nerviger. Mit einer energischen und zugleich bedächtigen Art setzt er sich für Themen ein, die politisch eher links und grün besetzt sind, und das durchaus erfolgreich. Strößenreuther hat Kampagnen zu Verkehrswende und Klimaschutz entwickelt. Der Volksentscheid Fahrrad und das Berliner Mobilitätsgesetz gehen auf seine Initiative hin zurück.

            Anfang des Jahres überraschte er dann damit, dass er in die CDU eintrat. Er will sie zu einer besseren Klimapolitik bewegen. Eine Art Himmelfahrtskommando. Die CDU gilt in der Klimabewegung als der Hauptbremser in Sachen Klimaschutz. Strößenreuther hat nun seit einigen Monaten versucht, der CDU rechtzeitig zur Wahl ein modernes Klimaprogramm zu verpassen.

            Dazu hat er die Klimaunion gegründet – ein Bündnis von CDU-Mitgliedern, die an Klimaschutz interessiert sind. Wie bei allem, was er tut, hat er dabei Vollgas gegeben: Argumentiert, präsentiert, Klinken geputzt, Leute um sich geschart. Er hat mit dem Generalsekretär der CDU, Paul Zimiak, telefoniert, dann wohl sogar Friedrich Merz überzeugt. Der soll gesagt haben, dass die CDU sich scheinbar jahrelang hat hinters Licht führen lassen von der Industrie. Man kann es kaum glauben.

            Strößenreuther könnte zufrieden sein, wäre dann nicht doch im Wahlkampf alles schiefgelaufen. An diesem Abend scheint ihm nicht nur der beginnende Herbst auf die Stimmung zu schlagen. Armin Laschet hat das Klimathema einfach nicht ernst genommen. „Er hat sich falsch beraten lassen. Das wird ihn die Wahl kosten“, sagt er.

            Trotzdem: Strößenreuther meint, in der CDU eine Palastrevolution angezettelt zu haben. Die Klimaunion sei nun ein ernstzunehmender Player. Schaut man sich ihr Programm an, entdeckt man tatsächlich Positionen, die man bisher nicht mit der CDU in Verbindung gebracht hat. Sie entsprechen in vielem dem Gegenteil dessen, was Unionspolitiker öffentlich vertreten. Die Klimaunion vermeidet es, klimaschädliche Industrien an den Pranger zu stellen und konzentriert sich auf die wirtschaftlichen Chancen der Energiewende, in einer Sprache, gegen die kein CDU-Mitglied etwas haben kann. Alles klingt wirtschaftsfreundlich, innovativ und smart, typisch Strößenreuther. „Wer aussteigt, muss auch einsteigen“ sagt er.

            Es ist sein Stil: Seine Kampagnen unterscheiden sich von ähnlichen Kampagnen dadurch, dass er sie wie ein Manager angeht, das zeigt sich in der straffen Organisation. Was er macht, wirkt glatt und hochprofessionell. Dabei benutzt er Begriffe aus der Startup-Wirtschaft (Themen werden geboostet, etwas wird fit gemacht, Turboswerden gezündet).

Von der linksgrünen Szene, in der er sich bisher bewegte, hat er sich entfremdet. In den letzten Jahren hat er die Kampagne Germanzero aufgebaut, dafür mit Wissenschaftlern einen Gesetzesvorschlag für wirksamen Klimaschutz vorgelegt. Strößenreuther ist mittlerweile allerdings nicht mehr dabei, mit seinen Verbündeten hat er sich überworfen. Andere drängten in den Vordergrund, alles wurde ewig ausdiskutiert. Er sah sich jedoch als Chef, als der, der die Entscheidungen trifft. Ein ehemaliger Kollege von Germanzero sagt, dass Strößenreuther in allen Bereichen mitreden und entscheiden wollte. Das kam nicht gut an im Team. Also musste er gehen. 

            Die Bitterkeit darüber ist ihm anzumerken, aber Stillstand liegt ihm nicht. Nun will er also die CDU modernisieren. Die Kritik alter Weggefährten an seinem CDU-Beitritt war scharf. Strößenreuther blüht aber erst richtig auf, wenn er Gegenwind verspürt und verweist auf seine Erfolge, auch wenn Laschet das Thema Klima nicht richtig aufgegriffen hat und gescheitert ist.

             Aber hat Strößenreuther wirklich geglaubt, in so kurzer Zeit der Union ein neues Image verpassen zu können? Wie steht er eigentlich persönlich zur CDU? Ist er ein Maulwurf, einer der die Partei von innen verändern will, obwohl er ganz anders tickt als sie?

            Dieser Gedanke muss kommen. Strößenreuthers Image beruht nun mal auf seinen eher grünen Kampagnen. Der Fahrrad- und Klimaaktivist hat bei Greenpeace gearbeitet, war Nachhaltigkeitsmanager bei der Bahn und sogar Mitglied bei den Grünen. Man stellt ihn sich vor, wie er sich mit seiner Bekannten Luisa Neubauer abspricht, dass er jetzt die Politik von innen aufmischt, während Fridays for Future auf der Straße demonstriert.

            So einfach ist es nicht. Strößenreuther sieht das, was er jetzt macht, durchaus als die logische Weiterführung seines bisherigen Engagements. Modern und ein bisschen konservativ wirkt er, obwohl er sich gar nicht als konservativ begreift. Auch mit dem christlichen „C“ in der CDU kann er eigentlich nichts anfangen. „Ich bin bürgerlich“, sagt er, und man merkt es vor allem dann, wenn er über die Grünen herzieht: „Die Grünen wollen jemanden wie Boris Palmer rausschmeißen, weil der mal etwas äußert, was nicht politisch korrekt ist. Was ist denn das für eine Partei?“, fragt er, lässt sogar das Wort „Verbotspartei“ fallen.

            Strößenreuther zu verstehen funktioniert nicht, wenn man die alte Einteilung in politisch links oder rechts anwendet. Seine Eltern sind „stramme CDU-Wähler“, sagt er, haben aber auch eifrig Müll getrennt und Energie gespart. Das erinnert an den Typus des schwäbischen Grünen á la Winfried Kretschmann: Grün und konservativ.

            Direkt nach der Wahl sagt er: „Politik, we are watching you, egal ob Jamaika oder Ampel.“ Das klingt wieder mehr nach dem Aktivisten, als den man ihn kennt, zumindest mehr als nach einem Parteisoldaten. Strößenreuther balanciert auf seine ganz eigene Art zwischen Aktivismus und Politik. Als sich eine Ampelkoalition abzeichnet, schreibt er per Mail, dass er bereits neue Kampagnenideen für die CDU habe.

            Man traut ihm zu, die CDU verändern zu können. Vielleicht ist genau jetzt, wo sich die ehemalige Volkspartei in der Opposition neu erfinden muss, der richtige Zeitpunkt für Strößenreuther.

September 2021.

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